Donnerstag, 7. Februar 2008

gestatten: Harry, Im&ExportKlassiker

Heine ist im World Wide Web meistgenannter deutschsprachiger Autor; im Ranking liegt er vor Schiller und Karl May, Goethe kommt nur auf Platz 8.
Seit 1983 trägt sogar ein Kleinplanet seinen Namen: Fernab von allem Irdischen zieht zwischen Jupiter und Saturn Planetoid Nr. 7109 „Heinrich Heine“ seine Bahn.
Politiker jedweder politischen Couleur lieben ihn; vor allem wohl seiner pointierten Formulierungen wegen. Wie auch US-Präsident Reagan: „Ordinarily he is insane, but he has lucid moments when he is only stupid.“ Damit dachte er in einem Vortrag vor Oxforder Studenten im Dez. 1992, drei Jahre nach seinem Abschied aus dem Präsidentenamt, an jene Leute zurück, die ihn wegen seiner Vorhersage 'der Kommunismus werde untergehen' seinerzeit als Ideologen und Träumer kritisiert hatten. Der Sarkasmus bezog sich allerdings nicht auf einen „ambassador“, wie Reagan lässig behauptete, sondern ging auf Kosten eines Schriftstellerkollegen, über den Heine drucken ließ: Er „ist wahnsinnig, hat aber lichte Momente wo er bloß dumm ist.“
SPIEGEL-Zitate:
„Er ist immer noch unerreicht. Harry Heine war der erste unseres Berufsstandes, und sein Geburtsname war tatsächlich Harry. Und er war gleich der Champ. Heine erfand das moderne Feuilleton. Er mischte alles zusammen, den historischen Essay, den Boulevardbummel, den Gewissensappell, die Rezension und vergaß nicht den Tritt unter die Gürtellinie“. Auch als vorbildlicher „Klatschkolumnist“ soll Heine sich betätigt haben. Laut Matussek könne man von Heine sogar lernen „wie man Musik rezensiert, ohne die geringste Ahnung davon zu haben“. Kurz, Heine vereinige alles, was „einen großen Journalisten auszeichnet“, „jene Betriebstemperatur aus Arroganz und Paranoia, aus Vernichtungslust und Nervosität“.

Von 1836 bzw. 1845 bis 1967 standen vier Heine-Werke auf dem Index der verbotenen Bücher der Katholischen Kirche: die Schriften über Deutschland und über Frankreich aus den 30er Jahren, die gesammelten „Reisebilder“ und die „Neuen Gedichte“. Kath. Bischöfe verbeißen sich gern in zwei Verse aus dem Caput 1 des Wintermärchens: „Den Himmel überlassen wir / Den Engeln und den Spatzen.“ Erzbischof Kardinal Meisner las in Heines Versen den Aufruf zur Umweltzerstörung:
„In dem Augenblick als man den Himmel den Engeln und Spatzen überließ, um sich ganz der Welt zuwenden zu können, in dem Augenblick fiel die Welt unter die Räuber. Denn wenn der Himmel abgeschafft wird, der Mensch sich nicht mehr nach oben vertikal übersteigen kann, wenn er sich also zu Gott hin nicht mehr transzendieren kann, dann treibt ihn seine Gottebenbildlichkeit in die Breite. Er übersteigt sich horizontal nach rechts und links, indem er seinen Ewigkeitshunger an den Ressourcen dieser Welt zu stillen versucht, sie dabei aufzehrt und dabei doch nicht satt wird.“
„Die reinste Lustigkeit ist die Liebe, Gott ist die Liebe,
Gott ist die reinste Lustigkeit!“ aus Heines „Briefen aus Berlin“

Otto Scrinzi (*1918 Nervenfacharzt und nationalistischer Politiker,vormals SA-Sturmführer, bis 1979 f. d. FPÖ im Nationalrat): Wenn es nach ihm ginge, würde Heine, der Jude, kurzerhand aus der „deutschen Volks- und Kulturgemeinschaft“ ausgeschlossen.
Joseph Goebbels war allerdings ein Liebhaber, hat 1917 in Bonn ein Heine-Seminar besucht und ein Jahr später seiner damaligen Freundin das „Buch der Lieder“ geschenkt; im Goebbels-Nachlass des Bundesarchivs Koblenz ist auch eine Sammlung eigener Gedichte überliefert, die der 22jährige Weihnachten 1919 der selben Freundin widmete.

Karl Kraus (*1874, Sohn eines jüdischen Papierfabrikanten & einer der bedeutensten Schriftsteller Österreichs) verfasste „Heine und die Folgen“: er habe die 'Franzosenkrankheit' eingeschleppt, Urvater des Sprachverfalls, ein Operettentexter der Biedermeierzeit, der keine Ewigkeitswerte gestiftet,
sondern mit sprachschwindlerischen Tricks Kitschbedürfnisse erfüllt habe und Marktlieferant geblieben sei. Heines makelloses Deutsch war Kraus nur Beleg für seinen letztlich missglückten Fluchtversuch aus dem Judentum.
1986 zitierte Marcel Reich-Ranicki Heiner Müller und fügte hinzu: „Die Wunde Heine, sie vernarbt allmählich, doch auf höchst sonderbare Weise, sie vernarbt schief und schön zugleich.“
Für Adorno stellte der Lyriker Heine ein doppeltes deutsches „Ärgernis“ dar: als „Trauma“ für die einen, als „Wunde“ für die anderen. Ein Trauma für diejenigen, die gegenüber dem Ausgestoßenen Schuld empfanden und nicht bereit waren zur Versöhnung; eine „Wunde“ für all diejenigen, die sich nicht affirmativ, sondern kritisch mit dem Lyriker des „Buchs der Lieder“ auseinandersetzten („das Ärgernis umgeht, wer sich auf den Prosaschriftsteller beschränkt“).
Alice Schwarzers „Brief“ an Heine von 1993 fing sie mit den Worten an: „Lieber Harry, gut, dass du tot bist. Über einen lebendigen Heinrich Heine müsste ich mich zu arg ärgern.“ In seiner „neuen Weltordnung“ habe er ihresgleichen „eternelles Untermenschentum“ zugedacht. Trotzdem erhielt sie dreizehn Jahre später die „Ehrengabe der Heinrich-Heine-Gesellschaft“. Auch für Fachfrau Edda Ziegler („Heinrich Heine. Der Dichter und die Frauen“) gehörte Heine „zu den wortmächtigsten Gegnern der Frauenemanzipation“.
In Heines Parisbuch von 1854 „Lutezia“ heißt es unverblümt, dass in Frankreich „die Frauen durch eine ungerechte Gesetzgebung, durch die Usurpazion der Männer, von allen politischen Ämtern und Würden ausgeschlossen sind und ihre Fähigkeiten nicht auf den Brettern des Palais Bourbon und des Luxembourg geltend machen können. Ihrem Drang nach Öffentlichkeit stehen nur die öffentlichen Häuser der Kunst und der Galanterie offen.“

Carl Zuckmayer (*1896, dt. Schriftsteller) äußerte 1972 "zu Heine habe er kein Verhältnis". Doch wurde ihm von einer Fachjury, bestehend aus Hildegard Hamm-Brücher(FDP), Carlo Schmid(SPD), Paul Mikat(CDU), dem Literaturwissenschaftler Robert Minder und „ZEIT“-Chefredakteurin Marion Gräfin Dönhoff, der Heine-Preis der Landeshauptstadt Düsseldorf zugeeignet. Das Preisgeld in Höhe von 25.000 DM ließ sich Zuckmayer auf sein Konto überweisen, denn angetreten in Düsseldorf ist er nicht.


Versepos „Atta Troll“
„Traum der Sommernacht! Phantastisch
Zwecklos ist mein Lied. Ja, zwecklos
Wie die Liebe, wie das Leben,
Wie der Schöpfer sammt der Schöpfung!
Nur der eignen Lust gehorchend,
Galoppirend oder fliegend,
Tummelt sich im Fabelreiche
Mein geliebter Pegasus.
Ist kein nützlich tugendhafter
Karrengaul des Bürgerthums,
Noch ein Schlachtpferd der Partheywuth,
Das pathetisch stampft und wiehert!“

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